










SOIRÉE SONIQUE #94
Mi 30.04.2025 · 20.00h
DIE STILLE DES STEIGBÜGELS
DIE MECHANIK DES OHRES
01.05.-17.05.2025 nach Vereinbarung
Nicolas Henry Jacob
Henry Thomas Alken
John Harris
Thomas Cook
Edward Duncan
Jean Dean Paul
Hermann von Helmholtz
Jean Baptiste
Marc Bougery
Sanne L. Vehling
Knud Zahidi
Rochus Aust
feat.
Markus Hennes
Bernard Riemann
Friedrich Kittler
DIE STILLE DES STEIGBÜGELS
Es ist sehr bemerkenswert, dass bis ca. 100 v. Chr. jeder zwar mit einem aber niemand je von einem Steigbügel gehört hatte, geschweige denn, einen gesehen oder gehört hätte.
Das, obwohl der Mensch schon seit Millionen von Jahren auf der Erde umherläuft, das ein oder andere leicht primitivere Säugetier sogar schon länger, er (der Mensch) auf dem ein oder anderen von ihnen (den Säugetieren) umherreitet und sie alle zusammen einen Heidenlärm machen (bis ca. 28 n. Chr.).
Es ist auch bemerkenswert, dass der Steigbügel in Nordindien* erstmals auftaucht, dass er 500 Jahre später in China** erfunden wird, dass er die Oströmer*** ordentlich in Bedrängnis bringt, während die Awaren ihn nach Europa exportieren, bevor er in Norditalien**** entdeckt wird.
Ob Gott das Ohr schon am fünften Tag oder erst am sechsten Tag schuf, ist Pfennigfuchserei, denn es war offensichtlich auch am 8. Tag noch nicht so sehr entwickelt, dass Adam und Eva von Kleidung gehört oder auch Gottes Worte nur bedingt verstanden hätten. Allein die Schlange konnte gut hören, was ihre Funktion als Steigbügelhalter:in***** des Bösen***** plausibel erklärt.
Während die eher kleinen Mongolen die große Wirkung des Steigbügels erkennen, übersieht der große Vesalius****** vor lauter Großartigkeit den kleinen*******.
Während die mickerigen Steigbügelhalter bauernschlau auf schnellen Aufstieg setzen, unterschätzen sie die weitreichenden Konsequenzen bügeltretender Aufsteiger*****.
„Das Reiten ist ein schönes Ding“ sagt Monsieur Arrière und preist natürlich den glänzenden Steigbügel samt Steigbügelhalter mit ein.
Den Steigbügel selbst kümmert es wenig, er sät nicht, er erntet nicht, er hört nicht und er lärmt nicht. Seine zwei Halter* kennen die Konsequenzen von Aufnahme und Weiterleitung und erledigen sie gleichsam in stiller wie altruistischer Gewissenhaftigkeit. Das Triumvirat der Mechanik ist stummes Medium, das in völliger Dunkelheit zur Erzeugung phantastischster akustischer Phänomene beiträgt. Unprätentiös verrichtet es seinen Auftrag seit jeher in einer unendlichen geisterhaften Séance und lässt sich im Ernstfall ohne zu murren austauschen. In seinem Selbstverständnis ist der Steigbügel nichtmal Steigbügel und er hat auch noch nie von einem Hammer oder einem Amboss gehört. Wie auch?
Wüsste der kleine Steigbügel um seine außerordentliche Wichtigkeit, würde er sicherlich eitel werden wie sein großer Bruder, der sich mit in Gold geprägten Griechischen Sagen schmückt und seine militärische Uraufgabe nur noch representativ von Ferne erledigt.
Belassen wir besser beide in ihrem eigenen Tunnel.
*100-50 v. Chr. als Schlaufe oder Haken
**4.-5. Jh. n. Chr. aus Holz und Metall
***6. Jh. n. Chr.
****1546 in Neapel von Giovanni Filippo Ingrassias
*****(m/w/d)
******Andreas Vesal / Andreas Vesalius / Andries van Wezel / Andreas Witinck / Andres Witting van Wesel (te Brüssel) / Andreas Witting, Anatom und Chirurg
*******was man ihm nicht ankreiden kann, vor lauter Unbekannt- und Kleinheit
********genannt Hammer und Amboss, was erstaunlich wenig (nämlich nichts) mit ihrer Klanglichkeit zu tun hat
Soirée Sonique gefördert vom Kulturamt der Stadt Köln.
