LTK4 im Lutherturm
Betritt man von der Volksgartenstraße her den Lutherturm, so begibt man sich unabhängig von kirchlicher, künstlerischer oder kommunikativer Nutzung in eine akustisch, visuell und klimatisch völlig neue Raumsituation: die Straßengeräusche gedämpft und dennoch pointierter, das Licht fokussiert und dennoch intimer, die Mauern kühlend und dennoch geborgener. Obwohl der Raum rechnerisch als klein zu bezeichnen ist und der Durchgang nur wenige Sekunden dauert, eröffnet er sofort das weite Panorama wunderbarer Spielmöglichkeiten.
Darauf steht man schon im Atrium der Lutherkirche, über das es weiter nach oben geht: fünf ordentlich übereinander gestapelte Quader, erreichbar über enge Treppen an deren obersten Ende zur Belohnung ein kathedraler Glockenstuhl thront. Man wähnt sich an der Spitze des Turmes, hat aber erst die Hälfte überwunden. Weiter geht es nur visuell, akustisch, künstlerisch.
Wäre der Begriff des Rohdiamantes nicht so abgegriffen, könnte man ihn auf den Turm bestens anwenden, allerdings nur bei Verbleib im ungeschliffenen Zustand. Ein Wert, der ohne Feinschliff einfach existiert. Ein Zustand robuster baulicher Funktionalität, in dessen Kontext die Kunst ihre Glaubwürdigkeit choreografisch entfalten kann. Und dies auch in ganz besonderer Weise tut: Denn hier ist sie keinerlei kirchlicher oder politischer Einmischung ausgesetzt. Die gesetzten Grenzen sind nur physikalisch-baulicher Natur, niemals inhaltlicher Art.
Kunst wird an Luther als Freiheit verstanden und das schon seit über 25 Jahren. Und im Gegensatz zum hochgezüchteten Kunstzirkus haben die Künstler hier die natürliche Freiheit, sich mit religiösen und spirituellen Themen auseinanderzusezen, sich gegen sie auszusprechen oder sie zu nutzen. Niemand muss sich hier dem ein oder anderen Kanon beugen, nur dem Diskurs. Denn zur Kunst gehört auch die Öffentlchkeit. Eine Öffentlichkeit, die selten so vielfältig ist, wie hier.