TELEFONKONZERTE

15.03. – 30.06.2021 · LTK4 Allstars

TELEFONKONZERTE · Digitale Musikkulturen 2020
Preis für innovative Konzertformate des NRW-Kultursekretariats

STELL DIR VOR, ES IST PANDEMIE UND KEINER ZOOMT
Zu Beginn des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020, wurde schnell die Parole „Rufen Sie ihre Lieben an, halten Sie Kontakt per Telefon!“ ausgegeben, um vor allem älteren Angehörigen die Isolation zu erleichtern. Schnell wurde aber die Zoom-Session zum Format der ersten Wahl auserkoren und draußen blieben die, um die es eigentlich ging: die Nichtsovernetzten bzw. die Andersvernetzten.
Dass statistisch jede Zoom-Session länger als nötig dauert, und dass sich eine Kommunikationskultur des Nicht-richtig-aufhören-könnens durch dieses Medium entwickelt hat, beobachten viele mit Sorge, ohne dem Einhalt gebieten zu können. Beim Telefon hingegen sind die Formalita bereits über Dekaden hinweg erprobt und erlernt.

Das Telefon – im besten Falle das echte alte Festnetz – ist immer noch das stabilste und verlässlichste Kommunikationsmittel (ähnlich wie das terrestrische Radio, aber das ist eine andere Geschichte).
Dafür, dass wir in einer Zeit leben, in der jeder mindestens ein Telefon besitzt, telefonieren wir aber erstaunlich selten. Anrufe bekommen wir meist nur von Mama, Oma oder Opa („ich rufe in 2 Minuten zurück“). Das könnte sich im Umgang/Nachgang der Pandemie ändern: denn einerseits schenkt uns die Pandemie Zeit dafür und andererseits ist der akustische Sozialkontakt von vielfach größerer Intensität als jedes zweidimensionale Videobildchen. Außerdem benötigt das Telefonat keinen visuellen Hintergrund und keine räumliche Vorbereitung, sondern nur ein wenig Stille. Es ist immer noch schneller und unmittelbarer.

HYBRIDFORMAT TEXT
Die Künstler:innen spielen für und sprechen mit ihrem Publikum. Diese Hybridform aus Gespräch und Musik ermöglicht nicht nur eine spontan modifizierbare Programmgestaltung auf Grund von Hinweisen/Vorlieben der Hörenden, sondern – im besten Falle – auch für die Spielenden ein besseres Kennenlernen des eigenen Publikums und die Annahme von – im besten Falle interessanten – Impulsen.

DOPPELHYBRID TECHNIK
Je nach technischer Ausstattung der Hörenden, können im Vorfeld und/oder Konzertverlauf vorbereitete und/oder vorproduzierte ‚Add-Ons‘ eingebracht werden: Klänge/Zuspielungen, Bilder/Videos, Atmos, Webseiten, Texte etc. gespielt vom häuslichen Fernseher, PC, Radio, Zweitphone, CD-Player, Kassettenrecorder, Plattenspieler, Grammophon etc.
Damit wird das Telefonkonzert zu einem multimedialen Ereignis, das die singuläre Techniklandschaft der Hörenden in ein Gesamtkunstwerk einbettet.
Nicht zu unterschätzen der technische Support, der vom Spielenden sicherlich im ein oder anderen Falle gewährleistet werden muss. Aber auch hier werden mit dem Barriere-Abbau neue und bislang ungeahnte Verbindungen zwischen Publikum und Interpret:inn:en geknüpft.

EXEMPLARISCHES CALL-CENTER FÜR TELEFONKONZERTE
15.03. – 17.03.2021 · Technische Hochschule Köln und LTK4

Als Testgeräte wurden alle aktuell zur Verfügung stehenden Telefone vom Festnetz bis zum Jabber Phone getestet. Erste Herausforderung dabei war, dass selbst das sogenannte Festnetz vielerorts über Internetverbindungen realisiert wird. Die zweifelsfrei analogen bzw. zweifelsfrei digitalen Durchführungen wurden zwar angestrebt, sind aber durch verschiedenste Zwischenprovider in der gesamten Kommunikationskette nahezu unmöglich zu garantieren. Ebenso sind hausinterne Netze nicht immer umgehbar, sodass auch an dieser Stelle die analoge Telefonie schnell zur digitalen wird und umgekehrt.

Westeuropäische klassische akustische und elektro-akustische Musikinstrumente wurden als übersichtlichster Referenzrahmen bei den Testungen verwendet. Jedes Instrument wurde auf verschiedenste Parameter wie Abstand vom Telefon, Lautstärke, Frequenz, Spielgeschwindigkeit (innerhalb der Frequenzen und Lautstärken) sowie Raumwirkung auf das jeweilige Gerät katalogisiert. Anschließend wurden die besten Testergebnisse – auf das jeweilige Gerät bezogen – verschiedenster Instrumente kombiniert, um die Übertragbarkeit von Solomusiken auf das Ensemblespiel zu testen (z.B. im Trio: Saxofon in 2,30m Entfernung mf/schnelles Tempo mit Trompete in 4m Entfernung p/mittleres Tempo mit Blockflöte in 1,20m Entfernung mf/schnelles Tempo)
Die Tests wurden bewusst nicht im schalltoten Raum durchgeführt, da dieser auch bei zukünftiger Durchführung weder beim Sender noch beim Empfänger zur Verfügung stehen dürfte.

Die zunächst intern (von Raum zu Raum) durchgeführten Versuche, wurden im zweiten Teil an Testhörer außerhalb des Gebäudes, der Stadt, des Landes und der Republik ausprobiert. Hierbei ergaben sich natürlich zunächst sprachliche Besonderheiten, da jeder Mensch (außerhalb der Profession Musik) mit anderer Versprachlichung über das Gehörte reflektiert. Es war aber erstaunlich festzustellen, dass die „nicht professionellen“ Testhörer mit klaren Bildern sehr hilfreiche und genaue Antworten auf die verschiedensten Höreindrücke geben konnten. Ein allgemein gutes Musikverständnis war immer vorhanden.

Eher ungewollt drängte sich am Ende mehrerer Testhörergespräche die Kostenseite in den Vordergrund. Offensichtlich sind die Menschen bei handelsüblichen Befragungen daran gewöhnt, das Befragte/Produkt in einen finanziellen Zusammenhang zu bringen bzw. bringen zu müssen. Dies wurde vom Team mit verschmitztem Lächeln ebenfalls dokumentiert, da sich dies natürlich nicht auf die technisch-hörbare Ebene, sondern mehr auf die ästhetisch-spielerische Darbietung bezog.

Das folgende Schaubild zeigt die allgemein sinnvollsten Abstände zwischen dem Telefonhörer (Gerät) und der Klangquelle (Instrument). Grundsätzlich empfiehlt sich der Telefonhörer (Gerät) als Aufnahmemedium. Freisprechanlagen und Konferenztelefone sind für die Wiedergabe besser geeignet, als für die Aufnahme, da sie vermehrt mit Rauschunterdrückung und Gates arbeiten (letztere eliminieren lange Töne nach wenigen Sekunden). Die folgende Evaluation entbindet selbstverständlich nicht vom individuellen Fein-Tuning zwischen Geräten, Räumen und Menschen.